Detloff: Natur-, Klimaschutz und Energiewende müssen im Einklang stehen – glaubwürdige Meerespolitik beginnt vor der eigenen Haustüre

In dieser Woche rückt der Meeresschutz ins Zentrum der Berliner Politik: Im Bundeskabinett und Bundestag werden wichtige Weichen für die Zukunft der Ozeane sowie der Nord- und Ostsee gestellt. Der NABU vermisst bei den politischen Vorhaben bisher eine klare politische Linie: Während Deutschland mit der Umsetzung des Hochseeschutzabkommens (BBNJ) international eine führende Rolle einnimmt und für strengere Regeln beim Schutz der sogenannten Hohen See eintritt, droht das Augenmaß bei der Belastung der Nord- und Ostsee verloren zu gehen.
Kim Detloff, Leiter Meeresschutz beim NABU-Bundesverband, erklärt: „Deutschland geht mit dem Hochseeschutzabkommen den richtigen Weg. Doch während dort Umweltprüfungen für die Nutzung etabliert werden sollen, will die Bundesregierung genau diese beim Ausbau der Offshore-Windenergie vor der Haustür abschaffen. Das ist nicht glaubwürdig und birgt erhebliche europarechtliche Risiken.“
Der NABU verweist auf den schlechten Zustand der Nord- und Ostsee. Umweltziele wurden verfehlt, Fischbestände kollabieren. Die Populationen des Schweinswals und vieler See- und Küstenvögel haben sich halbiert. Trotzdem könnte das geplante Kohlenstoffspeichergesetz mit der CO2-Speicherung unter dem Meeresboden der Nordsee den Druck auf die Natur weiter erhöhen, ohne an anderer Stelle zu entlasten. Chancen bietet eine aktuell geplante Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, die zukünftig die Öl- und Gasförderung in deutschen Gewässern unterbinden soll.
Hier fehle es dem federführenden Bundesumweltministerium jedoch offenbar an Mut und an Rückendeckung aus dem Kanzleramt für den notwendigen großen Wurf, kritisiert Detloff: „Es sind die altbekannten Fehler. Unsere Meere vor der Haustür sind längst an ihrer Belastungsgrenze und industriepolitische Entscheidungen geben ihnen den Rest. Wo ist das Versprechen des Koalitionsvertrags die marine Biodiversität zu schützen und den Schutz der Ostsee entschlossen anzugehen? Es ist endlich Zeit für eine Politik, die das Ökosystem Meer ganzheitlich betrachtet und seine unverzichtbaren Leistungen für uns Menschen erhält.“
Der NABU fordert einen naturverträglichen Ausbau der Offshore-Windenergie, klare Grenzen für wirtschaftliche Nutzung im Meer und verbindliche Regeln, die die biologische Vielfalt schützen. Bei allen politischen Vorhaben im marinen Raum müsse der ökologische Zustand der Meere Maßstab sein. Dazu gehören strenge Umweltprüfungen, wirksame Schutzgebiete und die konsequente Umsetzung bestehender europäischer und internationaler Verpflichtungen.
Hintergrund
In dieser Woche stehen gleich mehrere Meeresschutz-relevante Themen auf der politischen Agenda:
Hochseeschutzgesetz (HochseeSchG) / BBNJ-Umsetzungsgesetz: Das Bundeskabinett beschließt die Umsetzung des internationalen Abkommens über den Schutz der biologischen Vielfalt in Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt (BBNJ) sowie über das Hochseeschutzgesetz. Ziel ist der Schutz und die nachhaltige Nutzung der Meere.
RED III-Umsetzung (Windenergie auf See und Stromnetze): Debatte im Bundestag zur EU-Erneuerbaren-Richtlinie mit Fokus auf Beschleunigung von Offshore-Windprojekten und Netzanschlüssen (2./3. Lesung). Der NABU fordert den Erhalt etablierter Umweltstandards und eine Überprüfung europarechtlicher Konflikte
Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG): Der Bundestag berät über Rahmenbedingungen für CO₂-Speicherung auch im Meeresuntergrund – mit offenen Fragen zum Umweltrisiko (2./3 Lesung). Der NABU fordert eine verbindliche Entlastung der Nordsee vor Freigabe von CCS im Meer für tatsächlich unvermeidbare Restemissionen
Gesetz zur Einschränkung der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen in geschützten Meeresgebieten: Im Bundestag wird über stärkere Schutzvorkehrungen gegen industrielle Nutzung in sensiblen Meeresregionen diskutiert (1. Lesung). Neben Öl- und Gas muss auch der Abbau weiterer Rohstoffe wie Kies und Sand in Meeresschutzgebieten ausgeschlossen, Schifffahrt und Fischerei stärker reguliert werden
Herausgeber: NABU – Dr. Kim Detloff, NABU-Leiter Meeresschutz